Naturnahe Fütterung

 

Widderkaninchen im Garten
Foto: Lina

Kaninchen sind Pflanzenfresser. In freier Wildbahn ernähren sie sich vom dem, was in ihrem Revier wächst und was ihnen die jeweilige Jahreszeit bietet. Sie zählen zu den sogenannten "Nahrungsgeneralisten", da sie eine breite Palette an pflanzlicher Nahrung zu sich nehmen.

Sie fressen hauptsächlich frische Gräser und andere (Wild-)Pflanzen, aber auch Baumlaub, Knospen, Rinde, Samen und Früchte, sogar der Verzehr von Pilzen wurde schon beobachtet. Kaninchen beschränken sich nicht auf wild wachsende Pflanzen, sie gehen auch in Getreide- und Gemüsefelder, Gärten, Obstwiesen und Weinberge und suchen dort nach Futter.

Wer Kaninchen hält oder halten möchte, sollte sich darüber klar sein, dass auch Hauskaninchen an genau diese Nahrung angepasst sind. Denn obwohl die verschiedenen gezüchteten Kaninchenrassen äußerlich kaum noch an ihre wilden Verwandten erinnern - ihr Verdauungssystem ist immer noch das gleiche. Nur durch eine ausgewogene, frische, pflanzliche Kost ist gewährleistet, dass Kaninchen alle Nährstoffe bekommen, die sie brauchen, gesund bleiben und es nicht zu Mangelerscheinungen kommt.

Futtersuche mit allen Sinnen

Kaninchen wählen aus dem Angebot an Pflanzen das, was sie gerade benötigen und können somit ihren Nährstoffbedarf gezielt selbst decken. Sie sind in der Lage, den Nährwert, Salz- und Wassergehalt des Futters zu bestimmen und das Beste auszuwählen. Sogar das Aminosäuremuster von Pflanzen können sie erkennen. Sie bevorzugen deutlich eiweißreiche und rohfaserarme Nahrung, also junge, leicht verdauliche Triebe und Blätter. Verholzte Pflanzenstängel lassen die Tiere in der Regel unangetastet.

Bei den ersten Krankheitsanzeigen medikamentieren sie sich selbst, indem sie bestimmte Pflanzen fressen, um deren Wirkstoffe zu nutzen.

Giftpflanzen wie zum Beispiel der Gefleckte Schierling werden von Wildkaninchen am Geruch erkannt. Todesfälle durch Vergiftung sind bei ihnen relativ selten.

Auch bei unseren Hauskaninchen ist dieser Instinkt noch vorhanden. Solange sie immer eine reiche Auswahl an frischen, möglichst unverarbeiteten Futtermitteln zur Verfügung haben, werden auch sie selektieren. Sie fressen nur das, was ihnen schmeckt bzw. was ihrem Körper "schmeckt". Jede Pflanze, die nicht schon durch ihren Geruch auf enthaltene Giftstoffe hinweist, wird mit einem winzigen Probebiss getestet. Erst, wenn dieser Probebiss keine Beschwerden hervorruft, nehmen die Kaninchen die Pflanze in ihren Speiseplan auf.

Wie füttern?

Da frische Pflanzen einen hohen Wassergehalt haben, müssen Kaninchen täglich große Mengen fressen, um genug Nährstoffe aufzunehmen. Nur bei einem breiten Angebot an verträglichen Futterpflanzen können sie selektieren, also gute von schlechten Pflanzen unterscheiden. Kaninchen sollten immer die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, was, wie viel und wann sie fressen wollen. Am gesündesten ist es also, Frischfutter in Form von Gräsern, Kräutern und Laub in einer guten Mischung und „ad libitum“ anzubieten. Der Begriff „ad libitum“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „nach Belieben“. Es sollte immer so viel Futter gegeben werden, dass bei der nächsten Fütterung noch Reste der vorherigen Mahlzeit übrig sind. Meist reicht es aus, den Kaninchen zweimal täglich frisches Futter zu geben. Sie werden es sich einteilen, sodass sie über den ganzen Tag verteilt fressen können. Wenn man seine Tiere gut beobachtet, findet man schnell heraus, wie ihr Fressverhalten aussieht und welche Mengen sie benötigen und kann die Fütterung entsprechend planen.

 

Vorteile:
1. Die Kaninchen selektieren. So lernen sie auch Giftpflanzen und verunreinigtes Futter zu erkennen
2. Die Kaninchen sind wesentlich entspannter. Sie betteln nicht nach Futter und schlingen nicht beim Fressen.
3. Der Kot ändert sich von hellem großen Heukot zu schwarzem natürlichen Kräuterkot.
4. Die Verdauung ist allgemein viel besser.
5. Die Kaninchen bekommen alle Nährstoffe, die sie brauchen.
6. Die Kaninchen ernähren sich gesünder. Sie fressen kaum noch Heu und mehr Frischfutter.

Nachteile:
1. Der Kot- und Urinabsatz nimmt deutlich zu.
2. Wenn man nicht gerade eine Wiese vorm Haus hat, verbringt man viel Zeit mit Futterbeschaffen.

 

 

 

Futterumstellung
Je jünger Kaninchen sind desto einfacher ist eine Futterumstellung. Jungtieren kann man (auch wenn sie vorher handelsübliches Trockenfutter bekamen) rasch an gesunde Nahrung gewöhnen, da der Darm noch nicht groß in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das Trockenfutter kann direkt weggelassen und mit Grünfutter und gutem Heu ersetzt werden. Blähendes Futter wie Kohl und Klee sollte man jedoch erst "Blatt für Blatt" anfüttern.

Sind die Tiere schon älter, muss man behutsamer vorgehen. Hier hat es sich bewährt, mit kleinen Portionen leicht verdaulicher Futtersorten zu beginnen und das Trockenfutter Löffel für Löffel zu reduzieren. Dabei ist es wichtig, die Verdauung der Kaninchen gut im Auge zu behalten. Auf einen zu plötzlichen Futterwechsel reagieren sie oft mit Durchfall oder Aufgasung.

 

Umgang mit Giftpflanzen

Viele Pflanzen, die für Rinder oder Pferde giftig sind, werden von Kaninchen gut vertragen. Ihre Giftresistenz ist weitaus höher, als die anderer Pflanzenfresser. Einige Giftpflanzen nutzen Kaninchen zur Selbstmedikation, denn selbst Pflanzen, die in großen Mengen tödlich giftig sind, können in geringen Mengen heilend wirken.

Efeu ist entgegen der allgemeinen Auffassung für Kaninchen nicht giftig. Sie fressen ihn sogar regelmäßig. Nur die unreifen Früchte, die als einziger Teil der Pflanze wirklich stark giftig sind, verursachen bei Kaninchen Durchfall. Im Althochdeutschen hieß der Efeu noch "Epheu" und er wurde auch tatsächlich als Heu verwendet.

Auch für Rainfarn und Schöllkraut gibt es inzwischen Fütterungserfahrungen. Rainfarn ist hilfreich gegen Schnupfen und wirkt wurmtötend (er wird deshalb auch "Wurmkraut" genannt). Er enthält aber sehr viel Thujon, weshalb er nicht täglich verfüttert werden sollte. Bei Schöllkraut schwankt der Giftgehalt sehr stark. Vor der Blüte ist der Giftgehalt am geringsten, daher ist der Winter oder der Frühling die beste Zeit, um Schöllkraut anzufüttern. Die Pflanze ist ein natürliches Mittel zur Vorbeugung und Behandlung von Kokzidien.

Junges Kartoffelkraut wird von Wildkaninchen sehr gerne gefressen und in der älteren Fachliteratur galt es auch noch als gutes Futter. Heute wird es jedoch wegen des Solanins als giftig verteufelt Man kann es aber durchaus unter das normale Grünfutter mischen. Durch das Solanin hat Kartoffelkraut einen sehr strengen Geschmack. Wenn es also überhaupt gefressen wird, dann nur in für die Kaninchen gut verträglichen Mengen.

Kaninchen sollten niemals hungern, denn dann fressen sie notfalls alles, was ihnen vor die Nase kommt. Nur wenn genug verträgliches Futter im Angebot ist, sind auch Pflanzen, die giftige Stoffe enthalten, kein Problem. Wenn aber die unproblematischen Pflanzen aufgefressen wurden, sollte der Rest entfernt werden. Falls beim Sammeln in eine Fuhre Wiesengrün das ein oder andere giftige Kraut dazwischen gerät, ist das nicht schlimm. Viele Pflanzen "warnen" durch Fraßschutzstoffe wie zum Beispiel ihren Geruch oder Geschmack und Kaninchen können diese Stoffe sehr gut erkennen.

Folgende Pflanzen sind tödlich giftig und sollten auch bei einer Ad-libitum-Fütterung nicht angeboten werden:
Aronstab, Brechnuss, Eisenhut, Engelstrompete, Fingerhut, Herbstzeitlose, Nachtschatten, Oleander, Rittersporn und Schierling.

 

 Zum Weiterlesen:

Kaninchen und Eicheln

Saisonalität in der Nahrungsaufnahme von Wildkaninchen

Heu: über die Notwendigkeit von Heu, die Grundlagen einer artgerechten Ernährung und Sinn und Zweck der Ad-libitum-Fütterung

Das Ernährungs 1x1

Bilder-Sammlung Kaninchen-Ernährung

 

Nahrung wilder Kaninchen Zitate aus der Literatur

Tipps für die kalte Jahreszeit: Winterfütterung


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